Mein geliebter Kommunikationsfriedhof

 
8 Mag ich
1 Sekunde

Neulich in der Uni sitze ich am Laptop und tausche ich mich kurz mit meinem Freund daheim aus, als eine Kommilitonin erstaunt ausruft: „Ist das etwa ICQ??“

Ja, das ist ICQ. Ein Kommunikationsfriedhof zwar, aber zwei bis drei meiner Kontakte nutzen es noch immer. Und ich nehme, was ich kriegen kann. Auf meine Rückfrage an das mittlerweile kleine Grüppchen um meinen Laptop, wie sie denn chatten würden, kam keine sehr zufriedenstellende Antwort. „Ja hm, ich chatte eigentlich nicht mehr“ oder „Wenn dann schreibe ich über Facebook. Ich bin eigentlich immer auf Facebook, da ist das am praktischsten.“

Das ist doch interessant: Man tauscht sich über Facebook aus, aber chatten ist das nicht? Was ist denn dann chatten? Mir scheint, das Wort ist veraltet und mit einer Vision von oft anonymen und jugendlichen, belanglosen Dauergesprächen belegt worden. Aber was genau machen wir dann alle bei Whatsapp?

Warum ich mein altes ICQ liebe – weil es für mich keine Alternativen gibt.

1. Facebook. Da bin ich zwar auch häufig in einem Nebentab online, aber man übersieht so leicht, dass die Schrift blinkt. Außerdem herrscht die nervige allgemeine Annahme, dass man Facebooknachrichten sofort erhält. Was ist mit der ganzen Zeit, die ich nicht am Laptop bin? Am Handy müsste ich den „Messanger“ installieren, wogegen ich mich bis heute (aus einem letzten Rest Datenschutzgefühlen) weigere.

2. Whatsapp. Mal davon abgesehen, dass ich lieber Threema nutze und Whatsapp nur noch installiert habe, weil ich sonst leider eine große Menge Menschen nicht erreichen kann: Es nervt, ständig am Handy zu tippen. Gerne tausche ich kurze Infos aus, aber ein Ersatz für das, was wir früher mit Telefonaten oder Treffen geregelt haben, ist Whatsapp sicher nicht. Erst recht nicht, wenn wir noch einmal an den Datenschutz denken…

Schließlich liebe ich ICQ auch deshalb, weil ich weiß, dass mich da niemand nerven wird, mit dem ich gerade nicht sprechen möchte. Ein nettes Gimmick ist dort die Anzeige, wann der jeweilige Nutzer das letzte Mal angemeldet war. Die meisten waren 2012 oder 2011 das letzte Mal online, einige bringen es aber schon auf etwa 250 Wochen. Ein nettes Andenken an vergangene Tage – und vielleicht kommt ja bald ein neues Chatprogramm, dass die Facebooknachricht endlich ablöst. So lange bleibe ich meinem ICQ jedoch treu.

Corinna Günther

Ich bin eine sprachbegeisterte Hobby-Fotografin mit Liebe zum Detail. Seit der Lektüre von Pascal Merciers "Nachtzug nach Lissabon" verliebt in die Philosophie, möchte ich das Leben im Alltag mit mehr Achtsamkeit beobachten, genießen und verknüpfen.

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