Hallo, ich bin introvertiert.

 
7 Mag ich
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Heute geht es um ein sehr persönliches Thema, das für viele im Alltag immer wieder für Komplikationen sorgt: Introvertiertheit. Da „nur“ ein Drittel aller Menschen introvertiert ist und die Mehrheit zu der eher extrovertierten Spezies angehört, werden solche „nach außen gekehrten“ Charakterzüge oft als Norm angesehen.

Die Huffington Post listet zehn Situationen auf, in denen Introvertierte anders handeln als Extrovertierte. Fast alle treffen auf mich zu. Aber ich sehe nicht nur Nachteile darin, ob im persönlichen oder beruflichen Bereich: Viele der aufgeführten Eigenschaften zeugen von hoher Empathie, Intelligenz und Kreativität.

  • Sie fühlen sich in Menschenmassen isoliert.

Auch wenn ich manche Bands sehr gerne mal live erleben würde – wenn das nur als Puzzleteil in einer riesigen Menschenmasse möglich ist, verzichte ich lieber. Ich gehe gern in Großstädte, aber leben möchte ich dort nicht. Und am Frankfurter Hauptbahnhof überkommt mich zwischen all den gehetzten Anzugträgern mit Coffe-to-go in der Hand häufig das seltsame Gefühl, Teil einer riesigen Maschinerie zu sein.

  • Small-Talk ist anstrengend, bei tiefgründigen Gesprächen blühen Introvertierte dagegen auf.

Genau das ist mir in letzter Zeit besonders aufgefallen. Ich liebe es, mit anderen Menschen zu kommunizieren! Aber genau deshalb hinterlässt höflicher Wörteraustausch auch einen faden Geschmack im Mund. Wenn ich mich mit Menschen unterhalte, möchte ich zum einen etwas über ihre Weltanschauung erfahren und zum anderen selbst zu interessanten Gedankengängen inspiriert werden. Das ist bei oberflächlichem Name-Beruf-Wetter-Wohnort-Austausch einfach nicht möglich.

  • Sie sind erfolgreich auf der Bühne – aber vermeiden die Gespräche danach.

Entgegen dem Bild eines schüchternen, ängstlichen Menschen sind Introvertierte sehr wohl dazu in der Lage, vor vielen Menschen aufzutreten.  Wenn ich vor einer Gruppe sprechen soll, bin ich natürlich aufgeregt, aber es macht mir nicht sehr viel aus. Sobald man mir das Wort gibt, bin ich schließlich normalerweise in einer selbstbestimmten Position, ganz im Gegenteil zum Smalltalk mit Fremden: Ich kann mich vorbereiten und die Kommunikation selbst steuern.

  • Sie sind leicht ablenkbar, langweilen sich aber selten.

Zwar würde ich mich nicht als überdurchschnittlich ablenkbar bezeichnen, aber ich langweile mich tatsächlich sehr selten. Und wenn, dann nicht wenn ich alleine bin – sondern eben in besagten Smalltalk-Situationen.

  • Sie bevorzugen von Natur aus kreative, detailverliebte Berufe, in denen sie allein arbeiten können.

Auch hier finde ich mich wieder. Zwar arbeite ich sehr gerne mit anderen Menschen zusammen an einem gemeinsamen Ziel, aber ich mag es, wenn ich innerhalb dieser Teamarbeit meine eigenen festen Aufgaben habe.

  • Wenn sie unter Menschen gehen, halten sie sich in der Nähe des Ausgangs auf.

Das ist mir so nie aufgefallen, aber schließlich vermeide ich häufig Situationen, in denen ich in richtigen Menschenmassen stecken könnte. Ein volles Kino oder Restaurant zähle ich jetzt nicht dazu.

  • Sie denken erst und reden dann.

Im Grunde: Ja, das ist bei mir auch der Fall. Allerdings sind es gerade Situationen, in denen ich nicht vor jedem Wort nachdenke, in denen ich mich besonders wohl fühle: Wenn ich unter engen Freunden bin und weiß, dass ich kaum etwas unbedacht sagen könnte, das negative Folgen hat. Ansonsten schätze ich es sehr, wenn Diskussionen geregelt ablaufen und aus abwechselndem Sprechen und Zuhören bestehen. Und ich kann Talkshows nicht ausstehen, weil genau das dort nicht eingehalten wird.

  • Sie passen sich nicht wie Extrovertierte der Stimmung ihrer Umgebung an.

Diesen Punkt finde ich etwas merkwürdig und kann mich hier nicht so wieder finden. Ganz im Gegenteil, ich halte mich für empathisch genug, dass ich Anspannungen im Raum spüre und mich dadurch selbst unwohl fühle. Wenn ich dagegen merke, dass meine Mitmenschen glücklich und ausgelassen sind, kann ich selbst auch besser abschalten.

  • Telefonieren bereitet ihnen körperliches Unbehagen.

Das ist tatsächlich oft der Fall und für mich der einzig echte Nachteil in dieser Liste. Gerade weil ich sehr auf Reaktionen meiner Mitmenschen achte, fehlt mir dieser Aspekt beim Telefonieren. Nur anhand der Stimme ist es für mich schwierig, meinen Kommunikationspartner einzuschätzen und dadurch wird das Gespräch schlichtweg anstrengend. Gerade Freunde können mit diesem Aspekt oft schwer umgehen und verstehen vielleicht nicht, warum ich nicht von mir aus anrufe. Wenn es allerdings nur darum geht, kurze Informationen auszutauschen (Anruf beim Pizzadienst, Termin beim Friseur etc.), fällt mir das Telefonieren auch weniger schwer als bei Smalltalk oder komplexeren Themen.

  • Sie schalten ab, wenn sie allein sind.

Diesem letzten Punkt möchte ich zustimmend noch ergänzen: Ich schalte ab, wenn ich alleine oder unter guten Freunden bin. Denn gerade das macht für mich eine echte Freundschaft aus: Dass ich vollkommen so sein kann, wie ich bin und mich nicht verstellen muss.

Corinna Günther

Ich bin eine sprachbegeisterte Hobby-Fotografin mit Liebe zum Detail. Seit der Lektüre von Pascal Merciers "Nachtzug nach Lissabon" verliebt in die Philosophie, möchte ich das Leben im Alltag mit mehr Achtsamkeit beobachten, genießen und verknüpfen.

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