Ein Ausflug mit Schrecksi

 
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Neulich war wieder so ein Tag. Ich will nur mal schnell den Müll raus bringen, Haare noch nass und völlig ungestyled. Öffne die Tür und will schnell die Treppe hinauf steigen, doch da sitzt etwas im Weg und ich bleibe abrupt stehen. Ein kleiner Vogel schaut mich aus großen Augen an. Es ist ein Amselweibchen, das da auf der untersten Stufe sitzt und gar keine Scheu zeigt.

Mein erster Reflex: Foto machen! So nah komme ich sonst nicht an eine Amsel ran. Also knie ich mich hin und drücke ein paarmal auf mein Handy. Das Vögelchen zeigt keine Reaktion. Ich überlege, was ich tun könnte. Bestimmt ist es verletzt! Doch plötzlich flattert es unbeholfen auf, an mir vorbei durch die offene Tür und ab in die Wohnung. Mir fallen vor Schreck die Schlüssel aus der Hand. Der Müll steht vergessen neben mir, ich laufe dem Vogel hinterher.

Wie kriege ich den Vogel wieder aus der Küche?

Schrecksi (so habe ich die Amseldame im Nachhinein getauft) ist direkt in die Küche gehuscht. Ich bin allein daheim und muss mir jetzt schnell überlegen, wie ich sie a) wieder nach draußen und b) in Sicherheit vor bösen Katzentieren bringen kann. Doch Schrecksi hockt nun im untersten Regalfach und schaut mich aus starren Augen an. Sie scheint sich tot zu stellen. Ich laufe umher, schließe alle weiteren Türen und suche nach einem großen Behältnis. Eine durchsichtige Plastikkiste scheint als Fanggerät einigermaßen geeignet. Eilig sammle ich noch ein paar Gräser, die ich in die Kiste lege, dann platziere ich die Fangstation vor dem Regal. Erst reagiert Schrecksi gar nicht, dann flattert sie auf und direkt hinein in die Kiste. Deckel zu!

Ich bringe den aufgeregten Vogel in der Kiste nach draußen, überlege fieberhaft, wo ich ihn wieder frei lassen könnte. Er scheint sich so verletzt zu haben, dass er nicht richtig fliegen kann und wird sicher bald von einer Katze erwischt werden. Also laufe ich zu unserer allwissenden Nachbarin, die auch gleich eine Decke zur Abdunkelung über die Kiste legt und die Nummer vom nächsten Vogelpark wählt. Die verweisen uns an eine Tierärztin und so machen wir uns mit der mittlerweile ruhigen Schrecksi auf den Weg dorthin.

Die Diagnose der Tierärztin ist zugleich gut und schlecht

Beim Tierarzt muss ich einen Zettel ausfüllen und im liebevoll gestalteten Wartezimmer Platz nehmen. Es riecht sehr nach Tier, man hört Vogelzwitschern und überall stehen Pflanzen. Nach nur ein paar Minuten dürfen wir ins Behandlungszimmer. Die Ärztin ist sehr freundlich, stellt ein paar Fragen und nimmt Schrecksi dann mit einem feuchten Tuch aus seinem Transportbehältnis. Dann die – peinliche – Überraschung: mein kleiner Freund ist mopsfidel, wohlgenährt und ganz und gar unverletzt. Die kleine Amseldame ist einfach noch sehr jung, sehr neugierig und im Fliegen noch nicht die Geschickteste.

Zu meiner Verteidigung: Schrecksi ist für ein Jungtier schon recht groß, die Nachbarin hat sie auch für ausgewachsen gehalten… und außerdem meinte ich es doch nur gut. Kurzum, wie fuhren wieder nach hause, wo wir den kleinen Ausreißer auf dem Dach der Gartenlaube aussetzten – von wo er mit einem Schwupps in den Garten der benachbarten Katzenbesitzer hüpfte. Doch abends schaute er noch einmal vorbei, betrachtete wieder neugierig die Menschen und richtete höchstwahrscheinlich ein paar Grüße von seinen Eltern aus. Den Müll habe ich dann irgendwann auch noch zur Tonne gebracht.

Corinna Günther

Ich bin eine sprachbegeisterte Hobby-Fotografin mit Liebe zum Detail. Seit der Lektüre von Pascal Merciers "Nachtzug nach Lissabon" verliebt in die Philosophie, möchte ich das Leben im Alltag mit mehr Achtsamkeit beobachten, genießen und verknüpfen.

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