Ehrfurcht vor der Stechmücke?

 
1 Mag ich
1 Sekunde

Zack! Und wieder eine Mücke erledigt. Kaum kommt die Hitze nach Deutschland, sind diese Mistviecher einfach überall. Wenn ich abends das Licht ausschalte und dieses vertraute Summen höre, kann ich nicht schlafen, bevor die Plage tot ist.

Doch wie war das noch mit der Ehrfurcht vor dem Leben, die ich im ersten Semester so fleißig studiert habe? Albert Schweitzer war der festen Ansicht, jedes Leben sei schützenswert. Heute kennen viele Menschen seinen Namen, vor allem seine guten Taten als Arzt und Philosoph in Lambarene, Südafrika. Es gibt sogar einen (wie ich finde schönen) Film über sein Leben.
Obwohl ich mich vor ein paar Jahren intensiver mit seinen Theorien auseinander gesetzt habe, halte ich mich oft nicht an die Ehrfurcht vor dem Leben. Es gibt mir Genugtuung, die Mücke, die gerade noch an meinem Oberarm gesaugt hat, im Waschbecken runter zu spülen. Und dann packt mich das schlechte Gewissen: Du solltest nicht so denken und fühlen, du sollst doch mitleiden! Also hoffe ich, dass die Mücke einen schnellen Tod stirbt.

Ehrfurcht vor dem Leben ist so einfach, wenn es sich um Säugetiere handelt. Auch bei schönen und harmlosen Insekten (Schmetterlinge) empfinden viele Mitgefühl. Wenn das Schweinefleisch auf dem Teller dampft, hört die Tierliebe bei den meisten Menschen aber auf. Dabei war Schweitzer nicht einmal Vegetarier! Ehrfurcht hieß für ihn nicht, kein Lebewesen zu töten. Sondern es nicht unnötig leiden zu lassen. Und das wäre eigentlich nicht so schwierig.

Bildschirmfoto-2013-06-21-um-09.03.06

Was bedeutet das für den Alltag? Sich überzeugen, wie das Tier, auf das man doch so Heißhunger hat, gelebt hat und getötet wurde. Spinnen in den Garten tragen, statt mit dem Staubsauger „weg zu machen“. Aber was mache ich mit den Mücken? Bei uns übertragen die nervigen Tiere meistens keine gefährlichen Krankheiten. Ich kämpfe also nicht um mein überleben, wenn ich eine Stechmücke erschlage.

Vielleicht kann ich mich damit herausreden, dass ich nicht wissen kann, ob die Mücke nicht doch irgendwie infiziert ist und meine Gesundheit gefährdet. In jedem Fall werde ich mich bemühen, nur blutsaugende Tiere (schnell) zu töten und alle anderen „ekligen“ Insekten stattdessen friedlich weiterkrabbeln und -fliegen zu lassen. Dann aber möglichst weit weg von mir.

Corinna Günther

Ich bin eine sprachbegeisterte Hobby-Fotografin mit Liebe zum Detail. Seit der Lektüre von Pascal Merciers "Nachtzug nach Lissabon" verliebt in die Philosophie, möchte ich das Leben im Alltag mit mehr Achtsamkeit beobachten, genießen und verknüpfen.

Kommentare sind geschlossen.